Wenn es so was wie Legenden in der noch jungen elektronischen Musikszene gibt, die nicht aus Detroit oder Chicago kommen, dann würde sicherlich David Moufang aka Move D dazugehören. Das ist unsere bescheidene Meinung über diesen erfolgreichen Mann. Nicht, dass er nur ein großartiger DJ ist, mit einer Plattensammlung die seinesgleichen sucht. Er hat auch ein exzellentes Gespür, Platten stilübergreifend zu mixen, ohne den Groove, das besondere etwas aus den Augen zu verlieren. Sein Herz schlägt für die House-Musik, doch auf einen Musikstil lässt er sich nicht beschränken.
Move D gestaltet seit 1992 unsere Szene entscheidend mit. Sei es mit seinem damals gegründeten Label „Source Records“ und unzähligen Veröffentlichungen auf diversen Labels (u.a. Workshop, Smallville, Curle), die hier deutlich den Rahmen des Textes sprengen würden, wenn man sie auflisten würde. Er ist auch als Multiinstrumentalist (mit seinem Projekt „Magic Mountain High“), Hörspielkomponist, Medienkünstler & Dozent für das Goethe Institut bekannt. Viele Künstler würden gerne von sich behaupten, dass sie ihr Leben der Musik widmen. Bei Move D kann es nicht zutreffender sein. Wir haben ein spontanes Skype-Interview mit ihm geführt.
Hallo David, hast du schon mal in Essen gespielt?
Ja, aber das ist schon sehr lange her. Das war damals in der Zeche Zollverein, kombiniert mit einer Kunstausstellung. Die ganze Veranstaltung wurde vom Goethe Institut organisiert.
Ende Februar wird deine Fabric Compilation (#74) veröffentlicht. Welche Idee steckt hinter dem Mix?
Das war alles unheimlich kurzfristig und ich musste spontan an diese Aufgabe herangehen. Erst mal brauchte Fabric eine umfangreiche Liste an ausgewählten Stücken und zum Teil waren es sehr alte Veröffentlichungen, wo z.B. auch die verwendeten Samples rechtlich nicht geklärt waren. Also am Ende hatte ich 35 Stücke zur Auswahl und letztendlich haben es davon 15 auf die Compilation geschafft.
Die Mix-CD ist eine Mischung aus aktuellen Veröffentlichungen und Klassikern, die es über die Jahre immer wieder in meine Sets geschafft haben. Dadurch wollte ich der ganzen Idee ein zeitbeständiges Gefühl verleihen.
Mehr infos über die Compilation hier
Seit wann legst du ungefähr auf und was kitzelt dich immer noch an diesem Beruf?
Angefangen habe ich 1987 und ja, es macht mir immer noch sehr viel Spaß. Ich kann mich als Teenager an meine ersten Discotheken-Besuche 1985 in Italien erinnern. Damals war ich 17 und ich habe zum ersten mal gesehen, wie ein Discjockey Platten „Beatgemixt“ hat. Die Musik war eher so Touri-Italo-Disco, wo auch mal Kool and the Gang mit Prince-Platten gemischt wurden. Das war ein tolles Erlebnis! Die Tatsache, dass die überhaupt Übergänge gemacht haben, war was komplett Neues. Damals gab es die Technics-Plattenspielern noch nicht, sondern die Lenco, mit denen es auch einigermaßen ging, aber eben halt nicht so richtig, weil sie einen Riemenantrieb hatten. Also vom Auflegen und richtigen Übergängen machen, war zu dieser Zeit noch keine die Rede.
Ich bin in diese ganze DJ-Sache eher reingeschlittert, weil ich Ende der 80er Jahre viel ausging, um mir insbesondere die neue Tanzmusik aus den Staaten anzuhören. Damals hatten die DJs von dem Club ein bestimmtes Budget zugestellt bekommen, womit sie ihre Platten für den Abend kaufen konnten. Doch letztendlich gehörten die ganzen Scheiben dem Club und sie blieben auch dort in den Regalen verstaut, womit jeder DJ Zugriff zu eine große Plattensammlung hatte. Ich hatte vom Auflegen noch nicht so viel Ahnung, kannte mich aber halbwegs mit der Musik aus und habe den DJs oft zugeschaut, was die da so machen und wie sie ihre Platten sortieren. Und eines Abends, wo der Club voll von Leuten war, fehlt auf ein mal der Act und ich musste spontan einspringen. Seit dem habe ich regelmäßiger in der Tangente (Heidelberg) aufgelegt.
Aber das war halt ein minimales Auskommen und nur so nebenbei. Wo es dann mit Sven Väth, Electrica Salsa und dem Dorian Gray losging, wurden die DJs auf einmal zu Superstars und man konnte sich quasi das Auflegen als lukrativen Beruf vorstellen. Das war damals für mich gar nicht vorstellbar. Ich hatte mich in den 90ern eher auf das Produzieren konzentriert und mit den Plattenverkäufen mein Geld verdient, was man sich dann heute gar nicht mehr vorstellen kann. Aufgelegt habe ich natürlich auch, aber das nur für eine kleine Gage oder wenn ich Lust hatte.
Wie siehst du den ganzen Trend mit der digitalen Musik, sprich MP3 und Beatport?
Das geht an mir komplett vorbei. Ich lege nur Vinyl auf. Ich sehe und verstehe aber auch den Sinn dahinter, warum manche Produzenten oder Labels nur digital veröffentlichen können, weil es sonst gar nicht rauskommen würde.
Ich habe aber mittlerweile ein Ekel dafür bekommen, wenn ich mit Links und Massenmails zugemüllt werde, wo ich gar nicht mehr den Überblick dafür habe. Das wäre quasi eine Vollzeitbeschäftigung, würde ich mir das alles anhören. Früher haben wir unsere Demos per Post bekommen, was auch eine Menge war. Insbesondere wo die Software und Samples für Jedermann rauskam, waren die Produktionen sehr schwach und eintönig. Das war eine Überflut von unnötiger Musik.
Aber gehörst du immer noch zu den Künstlern, die sich auch Zeit für Nonames nehmen, um deren Musik anzuhören?
Ja, aber die digitalen Sachen fallen komplett durch. Dafür habe ich keine Zeit, weil ich ständig unterwegs bin und nicht den Kopf dafür habe. Aber ich habe ständig die Augen auf für neue Musik, wenn ich am touren bin und neue Leute bzw. Musik entdecke. Oder wenn mir eine Platte/CD in die Hand gedrückt wird, dann höre ich mir das später immer an. Das ist was persönlicheres und nicht viele machen das. Es ist überschaubarer und ich schätze diese Art der Investition, wenn sich Leute Mühe geben, einem ihre Musik näher zu bringen.
Willow ist ein passendes Beispiel dafür, wo jetzt auch der Track „Feel Me“ auf der Fabric Compilation drauf ist. Ich habe in Nottingham gespielt und einer der lokalen DJs später auf einem anderen Festival noch mal getroffen, wo wir später noch was trinken gegangen sind und da hat sie mir aus dem Ghettoblaster ihre neuen Stücke gespielt und mir sind die Ohren weggeflogen. Dementsprechend habe ich das ein wenig gefördert und der Track wird zusätzlich noch auf Workshop veröffentlicht. Im diesen Falle ist ja dann alles gut gelaufen. Ich empfehle und entdecke immer wieder gerne neue Musik. Und von dem Schlag sind noch einige Stücke auf der Fabric 74 vorhanden.
Du spielst ausschließlich nur mit Vinyl. Lehnst du bewusst z.b. das Format CDJ ab? Das macht ja das ganze touren und auflegen nicht unbedingt komfortabler?
Ja das stimmt. Mir gefällt aber einfach der Klang der CDJs nicht. Es werden leider Kompromisse gemacht, was die Plattenspieler angeht. Entweder ist der Klang von vielen Clubs nicht mehr darauf abgestimmt, sie werden nicht mehr ordentlich gewartet oder der klassische Fall von fehlenden guten Nadeln. Das macht es alles nicht einfacher für Vinyl-DJs und viele Kollegen von mir wollen sich das nicht mehr antun, weil sie einige Male „Alptraumähnliche“ Erfahrungen gemacht haben und die Leute gucken dich an, als ob du gerade daran Schuld wärst. Das ist mir aber egal. Entweder fühlt sich der Promoter dann schlecht oder ich spiele einfach das Set nicht zu Ende. Aber zum Glück kommt es dann doch nicht vor, dass die Technik so mieß ist. Irgendwie klappt es dann schon.
Aber letztendlich soll jeder das machen, was er will. Bei CDJs liegt der Vorteil, dass man seine eigenen Stück editieren kann, was ich z.B. bei Chez Damier erlebt habe. Das ist natürlich mit Vinyl nicht so machbar. Ich sehe aber zu 90%, dass die Beatport-Charts runtergerattert werden und Auto-Sync an ist. Sorry, aber das kann meine Mutter auch und sogar ohne Kopfhörer! Das wäre mir zu langweilig. Mir macht es einfach mehr Spaß mit Vinyl aufzulegen und ich liebe den Klang. Ich merke das auch bei den Auftritten. Die Leute wollen was sehen und sind neugierig, was ich da so mache. Das ist eine andere Form der Kommunikation mit dem Publikum.
Hast du besondere Rituale, bevor oder während du auflegst?
Nein, nicht unbedingt. Ich trinke z.B. nur Rotwein im Club.
Was hat dich bewegt, in Heidelberg zu bleiben und nicht wie viele anderen in die Metropolen der elektronischen Musikszene zu ziehen (Berlin, London etc)?
Heidelberg ist eine wirklich schöne Stadt, obwohl hier nicht gerade viel los ist. Das war in den 90ern anders. Da hatten wir schon eine gute Szene hier, wo auch viele Leute von der Umgebung in die Stadt gekommen sind, um Abends zu feiern. Mit London habe ich in den 90ern geliebäugelt, aber die Stadt ist so teuer. Alle meine Freunde und Idole (u.a. Baby Ford) haben davon erzählt, wie schwer sie über die Runden kommen und das sie noch soziale Hilfe beziehen mussten. Solch einen Existenzdruck wollte ich mir nicht antun. Berlin war ebenfalls keine Option, weil der Grad an Ablenkung viel zu hoch ist. Da eine Vernissage, dort eine Party, das ist zu viel für mich. Ich habe auch einen 16-jährigen Sohn. Und wie blöd es sich anhört, aber die idyllische Art von Heidelberg inspiriert mich und ich bin gerne hier unter der Woche.
Ich würde schon mal wegziehen, wenn mein Sohn älter wird. Dann aber eher ans Meer. Aber nicht wie der aktuelle Trend Barcelona, sondern ich könnte mir eher Lissabon oder Athen vorstellen.
Was wären deine Top 5 All Time Favorites?
Talk Talk – Laughing Stock
Paolo Conte – Wonderful
Serge Gainsbourg – L’histoire de Melody Nelson
Alice Coltrane – Ptah the el Daoud
Fela Kuti – Music of many colours
Danke für deine Zeit und das Interview. Bis zum 01.03 😉
Interview Ahmet Sisman
Event: 01.03.14 Bunkernacht w/ Move D @ Goethebunker | https://www.facebook.com/events/174355969430180
Links:
Kommentar schreiben